Walther Kahl:

Zum Abend der Arrivierten


Über das, was die Ausstellung zeigt, will ich nichts sagen, es sollte damit genug sein, dass ich es gemacht habe. Ein zur Kritik Berufener ist nicht da und die Kritik, die ein Künstler an seiner Arbeit übt, sollte in seiner Arbeit selbst enthalten sein. Zu einer anderen Kritik aber drängt es mich sehr wohl. Es ist die Kritik der Bedingungen, gesellschaftlicher und geistiger Art, die die Arbeit als ein ständiges, hintergründiges Murmeln und Grummeln begleitet.

Weil aber gleich auch von den elektronischen Medien die Rede sein wird, sollte ich sagen, warum neben der Malerei auch der Computer eine Rolle spielt. Sie werden nämlich gleich die Computeranimation AGON- they are gone sehen und auch hören. Sie operiert mit demselben Formmaterial, wie die Bilder auch, macht daraus aber etwas, das durch eine Reihung derselben Bilder nicht zu erreichen wäre. Ich benutze den Computer als Werkzeug, insbesondere seine enorme Gedächtnisleistung und natürlich die Kinetik, die er anbietet. Diese Arbeit ist nur vollständig mit der Musik von Heinz Erich Gödecke. Bevor er aber loslegt, möchte ich, wie angekündigt, noch etwas sagen.

Es geht um eine Haltung, ein Grundverständnis von der Sinnhaftigkeit dieses eigenartigen Tuns, zu dem ein Künstler entschlossen ist. Meine eigene ist einigermassen damit beschrieben, dass ich mich als ein Maler in dieser Zeit verstehe, und nicht anstehe, dieses Tun für nicht-modern zu halten.

Es gibt eine, mehr oder weniger reflektierte Grundstimmung unter den am Kunstgeschehen Beteiligten.Als wäre man in einer Zeit nach den grossen Kunstwerken tätig. Grosses gilt als verdächtig, als reaktionär, ideologisch, als überwunden. Um diese Grundstimmung erträglich zu machen, behauptet man eine Zäsur , bedingt durch die so andere Art, in der wir leben, die das Zeitalter grosser Kunst und dieses Zeitalter kleiner Kunst voneinander trennt. Somit müssten wir uns also mit Kleinkunst zufrieden geben, und sie ist ja tatsächlich allenthalben auf dem Vormarsch. Nur, es ist auch allen klar, dass, mit der Hinnahme dieses Kultursturzes auch eine schwer erträgliche Asymmetrie hinge-nommen wird; die nämlich zwischen Lebensweisen aus modernen Katalogen, und der unveränderten existentiellen Spannung in der ein Mensch sein Leben verbringt. Ein asymmetrisches Begriffspaar mag dafür stehen : Schicksal und Lifestyle.

Eros und Tanatos sollen von gestern sein; das Sublime, Transzendenz, das Ahnen, vor allem natürlich das Schöne, Proportionen, ja, Ästhetik ganz allgemein, Form, Ökonomie der Mittel, innere Notwendigkeit, Imagination und anderes, ja, und natürlich Metaphysik und Mystik, sie stehen in einem Ansehen, wie die Wörter Vater und Mutter in Huxleys Schöner Neuer Welt; sie sind unanständig. Behelfsweise lächerlich, nicht p.c.. Nein, unanständig sagt es besser.

Ich möchte einen in diesem Sinne unanständigen Dichter zum Thema zitieren. Jorge Louis Borges wurde in einem späten Interview in dem es um verbürgte Beispiele von Ergriffenheit durch die Begegnung mit Kunstwerken ging, gefragt, was für ihn der ästhetische Moment sei. Borges sagte: "Der ästhetische Moment ist so, als würde eine geheime Offenbarung unmittelbar bevorstehen, aber nicht eintreten". Unanständiger kann man es kaum formulieren; denn er meint natürlich auch Kunstwerke der Zukunft. Mithin sollen wir weiterhin mit einer solchen Erwartung auf Kunstwerke zugehen.

Aber, machen Sie das mal mit dem grossen Maokopf von Warhol. Hier ist nichts Enigmatisches , hier ist kein Ahnen vom ganz Anderen; hier erleben Sie den höchst indiskreten Kurzschluss mit der sogenannten Realität. Der medialen Realität allerdings. Dieser Mao ist die schlichte Entsprechung zu dem, was zur selben Zeit in den USA die führende Fertigsuppe ist.

Dies ist der Punkt, über den ich sprechen will. Es hat sich, seit der Ablösung der Malerei als Leitmedium der bildenden Kunst durch technische Verfahren, fast unmerklich etwas eingeschlichen und ist heute dominant, was ich einen Naturalismus aus 2. Hand nennen möchte. Der Stoff der bildenden Kunst ist inzwischen weitgehend ein durch Medien vermittelter; dieser Stoff bringt das Abbildliche zurück, das aus der Malerei weit-gehend verschwunden war. So weit, so gut; jedoch fängt man sich mit diesem Stoff einen fremden Willen ein und natürlich wissen das alle. Aus diesem Grund kommen alle denk-baren Verfremdungen zum Einsatz, die aber dann einer Umdeutung unterzogen werden. Schliesslich heisst es, die Kunst der Gegenwart sei sowohl medien- als auch realitäts-kritisch, weil ja die Präsenz der Medien prägend in die Realität einwirke.

Weil aber, so oder so gewendet, nichts daran zu ändern ist, dass die Medien, ob inszeniert oder nicht, ihren Stoff aus der Wirklichkeit Nr.1 beziehen, ist die folgende Frage unausweichlich: Wie kann man überhaupt der Auffassung sein, aus den Medien könne Realitätsstoff gewonnen werden, während doch tatsächlich von den Medien eine Auffassung von der Wirklichkeit vorgeführt wird. Genau dies ist aber immer das Privileg der Künstler gewesen. Jetzt lebt man, wie Hans Platschek gesagt hat, aus zweiter Hand in den Mund. Sobald das Deutungsprivileg aus der Hand gegeben wird, entsteht ein merkwürdiges Verhältnis des Künstlers zu dieser megalomanischen neuen Wirklichkeit, wie das jener Künstler zur alten Wirklichkeit, die Naturalismus genannt wird. Eben ein Naturalis-mus aus zweiter Hand. Was gegen den Naturalismus zu sagen ist? Nichts, er ist nur künstlerisch irrelevant.

Wenn ich an dieser Stelle nicht schnell einen rhetorischen Ausfallschritt mache, riskiere ich, in Beweisnot zu geraten. Hier ist er : Stoffwechsel, davon ist die Rede. Der Bildkunst droht der Urstoff abhanden zu kommen, während gleichzeitig eine Bild-übermacht ständig Ersatzstoff bereit hält. Thadeusz Kantor hat gesagt, Kunst ist gegen Macht. Ja, im doppelten Sinne. Warum nicht wenigstens den Versuch unternehmen, der Bildübermacht eine andere Bildmacht entgegenzusetzen! Ich will nicht bestreiten, dass dies hier und da geschieht; jedoch, meine Vorstellung davon ist nicht die von Agitation, Provokation oder gar Entlarvung, sondern die der Rückkehr zu einer Grundeinstellung der souveränen Anmassung.Vom Komponisten Morton Feldmann, der sein Leben lang intensive Kontakte zu Malern gepflegt hat stammt die Anmerkung:

"In der Moderne finden wir Cezannes ganze Vorliebe für den Prozess -ohne sein Ideal. Aber ohne ein Ideal kann man das Leben nur wie ein Sozialwissenschaftler betrachten." Wenn ein Komponist der späten Moderne dies sagt, ist es natürlich auch ein Hinweis auf eine verbreitete Methodengläubigkeit, der inhaltlich leicht die Luft ausgeht.

Obsession, Invention, Konstruktion , - Weltentwurf. Ja, ist denn hier jemand, der sagen würde, die Perpetuierung der gegenwärtigen Verhältnisse sei das Wünschenswerte? Stimmen wir nicht mehr Novalis zu, wenn er sagt: Hätten wir eine Pragmatik wie wir eine Vernunft haben, wäre die Erfindungskraft erfunden? Für eine Weile sollte es einmal nicht hegelianisch zugehen, will sagen, die Künste müssen das Instrument der Kritik wieder auf sich selbst anwenden, das Übrige findet sich dann schon. Noch einmal Morton Feldmann: Kunst ist im Verhälnis zum Leben wie ein umgedrehter Handschuh, sehr ähnlich aber absolut nicht zu gebrauchen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.



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